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Zukunft und Arbeit I

oder: Wie die Ansprüche der Gen Y die Wirtschaft langfristig umerziehen werden

von Lena Seydaack

Ein Gespenst geht um in der Arbeitswelt – es wird viel darüber berichtet, spekuliert und ihm werden verschiedene Namen und Eigenschaften zugesprochen… Im Auftrag DER FAIRWANDLER habe ich mich aufgemacht und habe recherchiert. Zunächst gibt es ein ausführliches Back Up der Berichterstattung, anschließend kommt die GEN Y selbst zu Wort: Jede Woche ein neuer Artikel mit Video-Interview.

Ein medialer Rückblick

Millenials, Digital Natives, YOLO (“You only live once”) oder auch Generation Y. Diese Labels bezeichnen die Altersgruppe der ab 1980 Geborenen, die bis vor wenigen Jahren noch als „Generation Praktikum“ gebrandmarkt wurde und der eine allzu sinistre Zukunftsperspektive in der Arbeitswelt prognostiziert worden ist. Irgendwann in den letzten zwei Jahren muss jedoch eine Umetikettierung stattgefunden haben, denn seit Ende 2011 etwa wird auf etlichen Personalmarketing-Blogs zum Thema Generation Y geschrieben und spätestens seit Beginn 2013 hat sich das Generationen-Label auch als Trendthema in den Feuilletons und Wirtschaftsmagazinen breitgemacht: Keine große Tages- oder Wochenzeitung, kein Magazin, das ohne einen provokativen Aufmacher zum neuen Fachkräfte-Nachwuchs und dessen ungewöhnliches Arbeitsverhalten auskommt: „Wählerisch wie eine Diva beim Dorftanztee“, meinte der Spiegel bereits 2011; „Die Kuschel-Kohorte“ titelte das ManagerMagazin in seiner Dezemberausgabe 2012 und attestierte der Gen Y einen Mangel an „Fachwissen, Führungswillen und Ehrgeiz“ und einer „kuscheligen Netzwerk“Mentalität als Problemlösungsstrategie; mit „Faul und schlau“ überschrieb die ZEIT ihren Artikel; waren diese Artikel zumeist von den Angehörigen der Vorgänger-Generationen, den sogenannten Xlern und Babyboomern, verfasst, so konterte die WELT gleich mit zwei Beiträgen – beide von Ypsilonern geschrieben: Mit „Generation Maybe hat sich im Entweder-oder verrannt“ meldet sich ein Vertreter der Generation Y zu Wort und unterzieht sich und seine Altersgenossen einer kritischen Selbstanalyse. In „Vergesst die Generationen-Labels, hört auf zu heulen“ antwortet ihm eine Kollegin aus den eigenen Reihen in einer „leidenschaftlichen Gegenrede“ und bricht damit erstmalig eine Lanze für die 20 bis 30-Jährigen, die sich in einer „Ohnmacht der Allmacht“ befinden.
Betrachtet man dieses Generationen-Bashing in den Medien, gewinnt man den Eindruck, dass hier dem Trend etwas hinterhergehinkt wird. Denn zweifelsohne werden schont seit Jahren von den Personalern größerer Konzerne Employer-Branding-Blogs betrieben, in denen genau diesem als ‚faul‘, ‚unentschlossen‘, ‚kuschelig‘ geltenden Jahrgang eine neue Macht zugesprochen wird: Die Macht des demographischen Wandels.

Die Macht des demographischen Wandels im Rücken

Einige Studien haben bereits belegt, dass im Jahr 2030 ca. sechs Millionen Menschen weniger erwerbstätig sein werden – aufgrund ihres Alters! Zurückgerechnet bedeutet dies, dass der Markt bereits 2015 drei Millionen Arbeitskräfte entbehrt.

Dies bringt die Kohorte der um-die-30-Jährigen in eine ganz andere Verhandlungsposition. (Freilich gilt dies nicht für alle Branchen. Fachkräftemangel herrscht vor allem in den MINT-Bereichen; für Geistes- und Sozialwissenschaftler ist der Markt nach wie vor eng.) Gegenüber den geburtenstarken Babyboomern (die Eltern der Y-ler) und der Generation X (auch bekannt als Generation Golf) ist die geburtenschwache Generation Y im Vorteil und als erster Jahrgang in der Lage, Ansprüche zu stellen. Und das tun sie tatsächlich, sehr zum Ärger ihrer hierarchisch denkenden Vorgänger.
Langfristig haben Unternehmen allerdings keine andere Wahl, als sich dem Erwartungsdruck von unten anzupassen und im War for Talents die Anforderungen des Nachwuchses zu erfüllen. Denn in zehn Jahren werden die Mitglieder der Gen Y 70% der Belegschaften in Unternehmen stellen, d.h. sie werden über kurz oder lang ohnehin ihre eigenen Ideen durchsetzen. Glücklich werden zukünftig also diejenigen Unternehmen sein, die den Wünschen der Gen Y jetzt schon entgegenkommen, sich auf die neuartige Denkweise einlassen und anfangen, ihre Betriebe umzukrempeln.

Das Netz als Machtinstrument

Für eines sind Y-ler nämlich besonders sensibilisiert: hohle Werbeversprechen auf Karriereseiten. Was der Eine oder Andere als illoyal verstehen mag, ist die Flexibilität dieses Jahrgangs. Hält ein Unternehmen nicht, was es versprochen hat, orientiert sich der Y-ler schnell um. Schlimmstenfalls steht dem Y-ler ein nicht zu unterschätzendes Machtinstrument zur Verfügung: Plattformen wie zum Beispiel kununu.com ermöglichen die anonyme Bewertung von Arbeitgebern und dienen damit auch der Recherche von Erfahrungsberichten, die im Zweifelsfall das Bewerbungsverhalten massiv beeinflussen können.

Personalmarketing 2.0

Im Personalmarketing haben sich mittlerweile einige Experten für das Thema Rekrutierung der Generation Y herausgebildet: Christoph Fellinger und Dr. Nico Rose haben in der Juni- Ausgabe des ManagerSeminare mit dem GenY-Bashing aufgeräumt und 10 sehr griffige Thesen aufgestellt, die die Haltung des Nachwuchses fundiert reflektieren und zurechtrücken. Begrüßenswert ist außerdem, dass einige Mitglieder der verunglimpften Altersgruppe das Wort ergriffen haben: So plädiert etwa Thorsten Reiter, der Autor des Blogs Generationthatsy für eine Kommunikation mit der GenY anstelle über sie. Nicole Ludwig setzt sich besonders für ein zielgruppengerechtes Employer Branding ein: Talent-Blog. Denn, um es überspitzt mit Thorsten Reiter zu sagen, was ist eigentlich so schlimm an Kuscheln?

Generationen-Clash

Möglicherweise ist dies das alte Generationen-Dilemma, das jedes Mal entsteht, wenn Gesellschaften beginnen, sich in eine neue Richtung zu entwickeln: „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten soll. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Die Empörung der Älteren gegenüber den Jüngeren gibt es schon seit 400 v. Chr., wie man an der Tirade des alten Sokrates erkennt.

Sinnvoller ist es daher, sich dem Wandel zu stellen, anstelle ihn zu verteufeln.

Der Druck, der sich auf die Unternehmen auswirkt, und in der bisherigen Generationen-Debatte noch nicht angesprochen wurde, ist ein doppelter. In den vorangehenden Generation gibt es nämlich ebenfalls eine Tendenz, bisherige Arbeitsstrukturen zu überdenken: Äußere Faktoren wie die Wirtschaftskrise und innere Faktoren wie Burn Out, Bore Out und der allgemeine Wunsch nach sinnhaftem Tun bzw. die Frage, “Was habe ich eigentlich erreicht und welche Welt hinterlasse ich meinen Nachkommen?”, führen auch bei den Jahrgängen der Generationen X und Baby Boomer dazu, bisheriges Handeln in Frage zu stellen.
Treffen also innovationsbereite X-ler mit den umwälzerischen Y-lern zusammen, kann hieraus viel Fruchtbares entstehen.

Was will denn nun Gen Y?

Nachdem nun viel theoretisch reflektiert worden ist, haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Generation Y selbst zu befragen. Wir sind losgezogen und haben verschiedene Leuten zwischen 20 und 30 interviewt, die teilweise sehr konkrete Wünsche von ihrem zukünftigen Berufsleben haben. Um es einheitlich zu halten, haben wir allen die gleichen Fragen gestellt. Die Ergebnisse sind in den kommenden Wochen hier zu sehen.

Freiheit und Selbstbestimmung

Katharina, 25, hat neben ihrem Lehramtsstudium angefangen, Schmuck zu entwerfen. Eineinhalb Jahre, viele Flohmärkte und mehrere Kooperationen mit Shoppingportalen später hat sie ein für eine Studentin überdurchschnittliches Einkommen. Dabei steht fest, ohne Internet wäre ihr ein derart schneller Erfolg nicht möglich gewesen. Denn gerade E-Commerce-Systeme wie z.B. Dawanda.com bieten jungen Unternehmern wie ihr die komplette Infrastruktur für den Verkauf. Katharina braucht nicht mal eine eigene Website und dennoch verkauft sich ihr Schmuck deutschlandweit. Facebook dient als Vertriebsnetz. Dadurch ist es ihr neben dem Studium, ohne Businessplan, mit spielerischer Leichtigkeit gelungen, ein beachtliches Einkommen zu erwirtschaften. Ein strategischer Vorteil, der sie mit Selbstbewusstsein Ihre Wünsche und Ansprüche für die Zukunft formulieren lässt: Ihre Kreativität möchte Katharina ausleben können und dafür ist es ihr wichtig, sich ihre Arbeitszeit frei einteilen und von zuhause aus arbeiten zu können. Sie will zu nichts verpflichtet sein, das erfordert eine Arbeitsumgebung, die von Gleichberechtigung und Teamarbeit geprägt ist und nicht von starren hierarchischen Strukturen. Dieser Anspruch verlangt ihr ein hohes Maß an Selbstverantwortlichkeit und Engagement ab, was sie aber nicht als Last, sondern als Chance zur Selbstentfaltung sieht. Über den allgegenwärtigen Vorwurf, ihre Generation seien Traumtänzer, die ein Sabbatical nach dem anderen anstreben, kann sie nur lachen: Denn wenn ihr eine Aufgabe wirklich Spaß mache, sei sie auch bereit, dafür Tag und Nacht reinzuklotzen.

Was können Unternehmen von Gen Y lernen?

Die Bedürfnisse auf den Punkt gebracht bedeutet dies:

Mehr:

  • Kreativitäts- und Selbstentfaltung
  • Selbstbestimmung und Eigenverantwortung
  • Freie Arbeitseinteilung und Home Office
  • Spaß
  • Lockere, teamorientierte Arbeitsatmosphäre

Weniger:

  • Vorschriften und Hierarchien
  • Angst vor dem Chef